Menschen über Menschen. Menschen auf Tribünen, Menschen dicht gedrängt in mehreren Reihen hinter Absperrungen. Es ist laut. Alle unterhalten sich, lachen, sind gespannt. Dann plötzlich Stille. Eine schwer mit Gold behangene Jungfrau wankt aus der Kirche vor der alle stehen. Um sie herum brennen hunderte Kerzen, die bei der Bewegung der Sänfte ihren Wachs in alle Richtungen spritzt. Vor, hinter und neben dem Thron laufen verhüllte Gestalten, die Teil des Ku-Klux-Klans zu sein scheinen. Spitze Kapuzen mit Löchern für die Augen verstecken ihre Köpfe; lange, bis auf den Boden reichende Gewänder den Rest ihres Körpers. Es riecht nach Weihrauch.
Die beeindruckensten Osterprozessionen in Spanien
Die Woche vor Ostern ist ähnlich wie die Fallas in Valencia oder der Karneval in Cádiz ein Höhepunkt im Feierkalender der Spanier. Es sind die Tage, in denen im ganzen Land die Jungfrauen aus den Kirchen und Kathedralen der Städte geholt und auf Sänften in Osterprozessionen durch die Straßen getragen werden. Jede von ihnen wird prachtvoll geschmückt, trägt Goldketten und -ringe und wird in teure Gewänder gekleidet. Zusammen mit all dem Prunk, den Kerzen und der Sänfte können die Damen dann bis zu 5000 kg wiegen; so viel wiegt die Jungfrau der Hoffnung aus Malaga, die schwerste der spanischen Karwoche.
Gehievt werden die Heiligen von bis zu 300 Männern (es gibt fast keine Frauen dabei), die sich teils sichtbar an den Seiten der Sänfte oder vollständig unter ihr befinden, um den Thron bis zu 8 Stunden auf einer abgesteckten Route durch die Stadt zu tragen. Eine große Ehre, für die das ganze Jahr über geübt wird. Nicht nur weil sich der Körper an das große Gewicht gewöhnen muss, sondern auch, weil die Männer einen Gleichschritt trainieren, der die Jungfrau zum Wanken bringt.
Die Osterprozessionen in Spanien sind ein Spektakel, dass man zumindest einmal im Leben gesehen haben sollte. Diese fünf sind besonders sehenswert:
Maritime Osterprozession in der galizischen Stadt Ferrol
Ferrol, nördlich von La Coruna in Galizien, ist eine Stadt, dessen Traditionen in den engen, nach Meeresluft riechenden Gassen fest verankert sind. Eine von ihnen ist ihre Karwoche, die seit 2014 zu einer Feier von Internationalem Touristischem Interesse gezählt wird. Sie ist eine der schönsten und ältesten Spaniens (ihre erste schriftliche Erwähnung stammt von 1616). Eine ihrer beliebtesten Osterprozessionen wird am Ostermittwoch abgehalten. Am Abend dieses Tages wird eine schlichte Jesusfigur durch die Straßen und am Hafen entlang getragen, begleitet von Trommelschlägen und Trompeten sowie Männern in Marineuniformen. Die Osterwoche im Norden Spaniens, ganz anders als im Süden des Landes, ist vor allem schlicht und spartanisch – und gerade deshalb einen Besuch wert.
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Die weltweit bekannte Prozession in Sevilla
Es ist die wohl beliebteste Osterprozession der Spanier – die Osterwoche von Sevilla. Von Palmsonntag bis Ostersonntag wanken knapp 60 Vereine der Karwoche von ihren Kirchen in Richtung der Kathedrale von Sevilla. Ihren Höhepunkt erreichen sie in der Madrugá, in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag. Dann ziehen die größten und bekanntesten Ostervereine durch die Straßen Sevillas, die der Esperanza Macarena, el Gran Poder, el Silencio oder la Esperanza de la Triana. Übrigens gibt es kaum einen Sevillaner, der sich nicht der Jungfrau Macarena oder der Triana zuordnet. Eine jahrhundertealte Rivalität, die über Armbändchen und Geldspenden an die jeweilige Jungfrau noch immer praktiziert wird.
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Die älteste Osterprozession Spaniens in Toledo
Aus der ehemaligen Hauptstadt Spaniens stammt die älteste Osterprozession der Karwoche. Sie entstand 1085 als die Stadt von den Christen eingenommen wurde und sie die bei der Übernahme Verstorbenen mit einer Prozession ehren wollten. Viele der heutigen insgesamt 254 Mitglieder dieses dabei entstandenen Vereins, Santa Claridad, sind Nachfahren der einstigen Gründer. Sie ist nicht die größte Bruderschaft Toledos, ganze 5000 Mitglieder verschiedener Vereine ziehen an Ostern durch die engen Gassen der kleinen Stadt südlich von Madrid. Höhepunkt der Karwoche in Toledo ist ebenfalls die Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag, wenn die meisten Bruderschaften ihre schweren Damen durch die Nacht führen.
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Die wohl lauteste Osterfeierei des Landes in Calanda
Der Ort Calanda in der Provinz Teruel (Aragonien) ist besonders bekannt für seine Trommelprozessionen während der Osterfeierlichkeiten. Seit 2018 gehört diese besondere Art der Karwoche zusammen mit 16 weiteren Dörfern zum UNESCO Weltkulturerbe. Anders als in Calanda (da beginnt das Trommeln an Karfreitag um 12 Uhr mittags) wird in den meisten dieser Orte mit dem Trommeln am Gründonnerstag um 12 Uhr nachts begonnen. Die Trommelprozession endet überall am Ostersamstag, wenn sich alle Anwesenden ungeduldig nach der Ruhe sehnen. Zuvor gibt es allerdings eine kleine Pause im Marathon der ohrenbetäubenden Trommelschläge. Nämlich dann, wenn der Ausrufer den Tod Christi verkündet. Für einige Minuten hüllt sich der Ort in eine absolute Stille – ein beeindruckender Moment.
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Jahrhundertealte Heiligenfiguren in Valladolid
Die Osterprozessionen der Karwoche in Valladolid sind in Spanien insbesondere für ihre jahrhundertealten, kostbaren Heiligenfiguren bekannt. Die meisten von ihnen stammen aus dem Barock und werden noch immer jedes Jahr durch die historischen Straßen der Großstadt in Kastilien und Leon getragen. Am Morgen des Karfreitags reiten Männer und Frauen in langen weißen Gewändern mit spitzen Kapuzen durch die Stadt und kündigen die Predigt der sieben Worte an, die an die letzten Worte Jesus vor der Kreuzigung erinnern. Am Nachmittag findet die Hauptprozession statt, an der insgesamt 31 Heiligenfiguren getragen werden – die meisten von ihnen stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
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