Frühmorgens im andalusischen Granada, im Schatten der massiven Sierra Nevada: Ich laufe hektisch an den langen Menschenschlangen vorbei, die sich vor dem breiten Kassenhäuschen aufgereiht haben und bahne mir den Weg zu einer wichtig aussehenden Frau mit Namensschildchen. Ich knappen Sätzen erkläre ich ihr, dass ich bereits eine Eintrittskarte habe und laut Uhrzeit schon längst in den Nasridenpalästen kleine Mosaike betrachten müsste. Sie lächelt tiefenentspannt und schickt mich mit Gesten, die sie zum, wahrscheinlich 50.000 Mal wiederholt, in Richtung Eingang der Alhambra.
Seitdem die prächtige Burg auf dem Sabikah-Hügel 1984 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde, wimmelt es hier täglich von tausenden Touristen, die die beeindruckende Architektur der Alhambra in Augenschein nehmen wollen. Gebaut wurde die rote Festung, was Alhambra übersetzt bedeutet, von den Mauren, die fast 8 Jahrhunderte in Spanien regierten.
711 nach Christus gingen sie bei Gibraltar an Land. Sieben Jahre später war fast die ganze Iberische Halbinsel unter maurischer Herrschaft. Es beginnt das Zeitalter des „al-Andalús“, wie das Königreich der Berber genannt wurde: eine Zeit des kulturellen Austausches zwischen Arabern, Christen und Juden, aber auch eine harter Bürgerkriege. Denn immer wieder versuchten die Christen „ihr“ Land zurückzuerobern. Erst im Jahr 1492 gelang es ihnen schlussendlich und auch die letzte maurische Bastion, Granada, ging an die Katholiken.
Granada war die letzte Stadt, die von den Katholiken 1492 "zurückerobert" wurde. In kaum einer Stadt Spaniens ist das kulturelle Erbe der Mauren noch so spürbar wie hier. Es macht Granada zu einer der schönsten Orte des Landes. Diese Sehenswürdigkeiten solltest du dort auf keinen Fall verpassen.
Neben der Alhambra hinterließen die Mauren in Spanien prächtige Städte wie Cordoba oder Granada, köstliche Produkte und Gerichte Oliven, Reis und Marzipan und prägten die spanische Sprache mit Wörtern wie almohada oder azafrán. Die Mauren sind aus der spanischen Kultur nicht wegzudenken. Wie sehr sie sie noch bis heute beeinflussen, habe ich hier zusammengestellt:
Der Einfluss der Mauren in Spanien
Die maurische Architektur
Córdoba, das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum von Al-Andalús, Sevilla oder Granada mit der weltbekannten Alhambra sind voll von maurischer Architektur. Ihr haben sie es zu verdanken, dass die südspanischen Städte heute zu den schönsten des Landes gezählt werden. Als die Berber 711 nach Christus auf die Iberische Halbinsel kamen, brachten sie eine hochentwickelte Kultur mit sowie Techniken, die sie in ihren neu gebauten Häusern, Palästen und Gotteshäusern anwandten. Filigrane Stalaktitengewölbe, die in ihrer Form an Tropfsteinhöhlen erinnern und für die man Stunden, wenn nicht sogar Tage bräuchte, um sie in ihrem ganzen Umfang zu erfassen; Hufeisenbögen, die im oberen Teil an römische Rundbögen erinnern, unten jedoch fast zu einem Kreis zusammenlaufen und unzählige zarte Säulen, zwischen denen man sich fast wie in einem Labyrinth fühlt, sind typische architektonische Elemente der Berber. Nach und nach vermischten sich die ästhetischen Charakteristika der Mauren mit christlichen Baustilen und es entstand der in Spanien einzigartige Mudéjarstil. Er findet sich vor allem in Gebäuden wider, die zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert entstanden, also in einer Zeit, in der die Araber bereits von der Iberischen Halbinsel verschwunden waren. Typisch für ihn sind die Verwendung von Ziegelsteinen sowie die eben genannten Bauformen und Dekore wie Stalaktitengewölbe oder Hufeisenbögen. Verbreitet ist die Mudéjar-Archtitektur in ganz Spanien, vor allem aber in Andalusien, in der Region um Toledo, Kastilien und León sowie Aragonien.
Wer sich also heute auf die Fußspuren des maurischen Spaniens begeben will, der kommt neben Granada, Córdoba und Sevilla nicht an Orten wie Calatayud, Toledo, Madrid oder Zaragoza vorbei. Lediglich im Norden von Spanien ist vom Mudéjarstil keine Rede.
Das Arabische im Spanischen
Die spanische Sprache ist voll von arabischen Begrifflichkeiten. Viele der Wörter, die mit „al“ beginnen, weisen darauf hin, dass es sich um einen Begriff aus dem Arabischen handelt, wie zum Beispiel almohada (Kissen), albornoz (Bademantel) oder alfombra (Teppich). Wörter, die sich auf das Holzhandwerk oder Keramik beziehen sind ebenfalls häufig arabischen Ursprungs, da die Handwerker die Techniker entweder von Mauren gelernt hatten oder selbst welche waren. Typische Beispiele sind albañil (Maurer), azotea (Dachterrasse) oder azulejo (Fliese). Andere spanische Wörter mit arabischen Wurzeln wie álgebra (Algebra), guitarra (Guitarre), ajedrez (Schach), aduana (Zoll) oder alquiler (Miete) verdeutlichen, welche Konzepte und Gegenstände die Mauren mit auf die Iberische Halbinsel brachten. Und dann sind da noch die vielen Lebensmittel wie aceituna (Olive), arroz (Reis) oder azúcar (Zucker) die andeuten, welche Rolle die arabische Gastronomie in der spanischen Küche spielt.
Arabische Rezepte in der mediterranen Küche
Natürlich brachten die Berber nicht nur ihre Sprache und Architektur mit auf die Iberische Halbinsel. Viele Lebensmittel und Pflanzen, die sie von zuhause gewöhnt waren, verfrachteten sie mit auf ihre Schiffe und begannen, sie auch in Al-Andalús anzubauen. Wie eben schon verraten, gehörte dazu zum Beispiel der Reis, den sie vor allem im heutigen Naturpark Albufera, unweit von Valencia, zu kultivieren begannen. Da verwundert es nicht, dass die Reisgerichte in Spanien eine überaus wichtige Rolle spielen. Zwar brachten die Araber nicht das Rezept für Paella mit nach Europa, doch die Idee, Reis in Milch zu kochen und daraus einen leckeren Nachtisch zu zaubern, war ihre. Auch andere Süßspeisen wie Marzipan, Turrón (eine Süßigkeit mit Mandeln und Honig, die in Spanien gerade zu Weihnachten gegessen wird) oder viele frittierte Desserts wie Torrijas (ähnlich wie Armer Ritter), Pestiños (typisch zu Ostern) oder Buñuelos (kleine frittierte Teigbällchen) stammen aus der Feder der Berber. Noch heute sind die aufgezählten Süßspeisen beliebte Rezepte, die jeden Spanier zurück in seine Kindheit verfrachtet.
Das arabische Wissen
Die Mauren brachten nicht nur tropische Lebensmittel wie Reis, Aubergine oder Melone mit auf die Iberische Halbinsel. Sie wussten auch, wie sie sich eines der wertvollsten Elemente der Erde für ihre Landwirtschaft systematisch zu Nutze machen konnten und revolutionierten dadurch den Anbau von Nutzpflanzen auf der Iberischen Halbinsel. Sie leiteten Wasser durch Kanäle und transportierten es auf großen Wasserrädern geschickt, um es zu den weiten Feldern zu verteilen.
Die Mauren in Spanien kannten sich aus mit dem Ingenieurwesen, waren geschickt mit Metall, Holz und Glas und sie besaßen weitreichendes Wissen in Astronomie, Pharmazie, Mathematik, Physik und Chemie, das sie an ihren Universitäten in ganz Al-Andalus lehrten. Die erste eröffneten sie 1349 in Málaga, weitere folgten in Granada und Zaragoza. Cordoba entwickelte sich zum kulturellen Zentrum der Mauren, aber auch ganz Europas, mit insgesamt 3 Universitäten, 80 Schulen und einer Bibliothek mit über 700.000 Exemplaren.
Dank ihres Wissens, kann man heute sagen, konnten die Spanier sogar den Atlantik überqueren und Amerika „entdecken“. Ohne die arabischen Erfindungen wie den Kompass oder die Seekarte wären die Abenteurer wohl niemals irgendwo angekommen.
Die Liste des Einflusses der Mauren in Spanien ist lang. Doch sie haben nicht nur eine Spur auf der Iberischen Halbinsel, sondern in ganz Europa hinterlassen. Während der Existenz von Al-Andalus, war der maurische Staat kulturelles Zentrum des ganzen Kontinentes und brachte Innovation in sämtliche europäische Länder. Noch heute werden die von den Berbern etablierten Krankenhäuser, die in Sektionen wie Augenheilkunde, Innere Medizin und Orthopädie unterteilt wurden, als Vorbild genommen und das Wissen über Heilpflanzen für Medikamente genutzt.
Lange Zeit wurde die Bedeutung der Mauren für Spanien in spanischen Geschichtsbüchern herunter geschraubt. Sie galten als die Eindringlinge, die Invasoren und die Katholiken als die Zurückeroberer und Wiederhersteller des Status Quo, den sie ab 711 nach Christus verloren hatten. Sicherlich waren die Mauren zu jenem Zeitpunkt Eindringlinge, knapp 8 Jahrhunderte später, kann man jedoch noch kaum von einer Invasion sprechen. Zu verwoben waren die Kulturen im 15. Jahrhundert längst. Das, was sie hinterlassen haben, ist in Spanien täglich spür- und sichtbar und aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.