Viel zu tief fliegt das Propellerflugzeug über die flach bewachsenen Hügel. Ein Schuss fällt und vor dem alten Auto, das über die Schotterpiste zuckelt, entsteht ein tiefer Krater. Der Oldtimer kommt zum Stehen und zwei Männer mit Hut springen aus den Türen und laufen über den Hügel hinab zum Strand. Bevor sie den feinen Sand und den mächtig, schwarz aufragenden Fels, der sich seit Jahrtausenden der Brandung entgegen stellt, wahrnehmen können, nähert sich das Flugzeug schon wieder. Es hat es auf sie abgesehen. Kugeln für ihre Pistole haben sie keine mehr. Doch der schwarze Regenschirm, den der eleganter gekleidete Mann der beiden mit sich trägt, ist ein Glücksfall. Mit ihm scheucht er die zu hunderten am Strand sitzenden Möwen auf, die mit dem Flugzeug kollidieren und es zum Absturz bringen.
Cut.
Spanien im Film - Drehorte am Cabo de Gata
Der Mann mit dem dunklen Regenschirm ist kein geringerer als Sean Connory und der jüngere mit Hut, der ihn begleitet, ist Harrison Ford. Gemeinsam brachten sie 1989 das Flugzeug am Strand Playa de Mónsul am Cabo de Gata für den Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug zum Absturz. Es war nicht die einzige Szene des Westernfilms, die in der sandig trockenen Region unweit von Almeria gedreht wurde. Die einstige Goldmine von Rodalquilar passte eben so gut ins Bild, wie die Wüste von Tabernas.
Und auch der Playa de Mónsul bekam nicht nur ausschließlich im dritten Film von Indiana Jones einen Star-Auftritt:
Ein kleiner, vielleicht neunjähriger Junge erwacht benommen im Sand. Seine Füße liegen im Wasser und werden sanft von den Wellen hin und her geschaukelt. Die braunen Haare liegen ihm im Gesicht, das dunkle, lederne Hemd ist aufgerissen und zeigt seine jungenhafte Brust. Nur an der Hüfte wird es noch von einem Gürtel zusammen gehalten. Langsam steht er auf und sieht sich um. Dunkle Felsen sind in der Ferne zu sehen und auch das Meer wirkt bedrohlich. Unruhig beginnt er einen Namen zu rufen: Fuchur, Fuchur, Fuuchuur!
Kein Western, sondern die Szene aus einem der beliebtesten Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Es ist der Moment, in dem der kleine Atréju von dem Glücksdrachen Fuchur zum Südlichen Orakel gebracht wird. Es ist die unendliche Geschichte von Michael Ende.
In ganz Spanien wurden schon unzählige Szenen für weltbekannte Blockbuster gedreht. Solche wie „Stirb an einem anderen Tag“, „Star Wars“ oder der romantische Film „An einem ganzen halben Tag“, um nur einige wenige zu nennen. Doch vor allem die Provinz Almería und die Region um den Naturpark Cabo de Gata hat es der Filmindustrie angetan. Die Landschaft ist gerade hier auf engstem Raum unglaublich vielfältig. Unberührte Strände mit ungewöhnlichen Gesteinsformationen, verlassene Goldminen oder das raue Wüstengelände von Tabernas – seit den 1960er Jahren inspiriert der Landstrich die berühmtesten Regisseure der Welt.
Wilder Westen mitten in Almería
Dass das Cabo de Gata überhaupt auf dem Radar der internationalen Filmindustrie auftauchte, daran ist zu einem großen Teil der französische Regisseur André Cayatte Schuld. Mit seinem 1957 gedrehten Film „Auge um Auge“ – in dem ein armenischer Mann einen europäischen Chirurgen, den er für den Tod seiner Frau verantwortlich macht, in die Wüste von Tabernas lockt, um dort Rache an ihm zu begehen – ruft er die Wüstenkulisse als einen der Drehorte am Cabo de Gata bei den weltberühmten Filmregisseuren auf den Plan.
Europäische Filmproduzenten aus Italien, Frankreich oder Deutschland kommen in den folgenden Jahren in die Region, bis 1961 mit „King of Kings“ auch der erste US-amerikanische Film Szenen aus verschiedenen Teilen Almerías zeigt. Einen wahren Filmboom erlebt die Region in den 1960er Jahren. 148 Filmen werden in dieser Zeit gedreht. 100 von ihnen sind Western. Denn die sogenannten Spaghetti-Western, bei denen vor allem italienische Regisseure (deshalb Spaghetti) sich dem ursprünglich US-amerikanischem Genre, dem Western, annehmen, fanden in der Region um Cabo de Gata genau die Landschaft, die es für Cowboys zu Pferd braucht: Wüste, Felsen und Kakteen.
Deshalb gibt es mittlerweile unzählige Drehorte am Cabo de Gata, an denen schon Clint Eastwood, Harrison Ford, Sean Connery oder auch Uma Thurman oder Robin Williams vor der Kamera standen. Weit über 500 Filme wurden seit den 1950er Jahren hier gedreht und noch immer werden es mehr. Zu den bekanntesten Western, die in dieser Ecke Spaniens gefilmt wurden, zählen „Zwei glorreiche Halunken“, „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, oder der zumindest in Deutschland bekannte „Schuh des Manitu“.
Drehorte von Game of Thrones in der Wüste von Tabernas
Besorgt und dennoch entschlossen blickt die junge Frau mit den langen, fast weißen Haaren zum Himmel. Ihr blaues, schlichtes Kleid ist verschmutzt. Trotzdem sticht sie aus der Menschenmasse heraus, die zusammen mit ihr durch einen sonnenverblassten Canyon wandert. Fast alle tragen braune Kleidung und Körbe in den Händen. Sie schauen auf den Boden und laufen, ohne sich die Frage zu stellen, ob dieser Weg wohl der Richtige ist. Männer mit langen Haaren und muskulösen Rücken reiten zwischen der Menge entlang. Sie alle bewegen sich langsam auf ein Rondell zu, dass sich zwischen den sandigen, zerklüfteten Felsen des Canyon auftut.
Die junge Frau ist Daenerys, das Volk um sie herum das der Targaryen aus der HBO-Serie Game of Thrones und die Wüste durch die sie sich bewegen jene von Tabernas. Denn für die Filmproduzenten der beliebtesten Serie weltweit konnte es keine bessere Location für die Heimat von Daenerys Targaryen geben als die staubige Wüste von Almería. Aber auch drum herum dienten einige Kulissen als Schauplätze für die mystischen Geschichte von Game of Thrones. In Sorbas, unweit der Wüste, war es die Gipsgrube Cantera de yeso, in Pechina, südlich von Tabernas wurden die Ruinen El Chorrillo mit einbezogen und in Almería selbst war es die Alcazaba, die in der Serie als Palast des Hauses Martell gezeigt wird.
Für die Provinz Almería ist die Filmindustrie eine wichtige Einnahmequelle. Längst hat sich ein komplexes Netz aus Dienstleistungen um diese Industrie gebildet. Auf der Webseite des Filmbüros der Provinz Almería, Filming Almería, z.B. kann man sich als Regisseur oder Filmproduzent über die besten Locations und wichtige Infos zum Dreh informieren, sich von den vielen Filmen, die bereits hier gedreht wurden, inspirieren lassen oder nach geeigneten Kameramännern, Schauspielerinnen oder Choreographen suchen. Dabei verdient die Provinz von Almería an den Drehlizenzen, die Menschen aus der Region können sich als Komparsen oder Nebendarsteller etwas dazu verdienen und auch die Gastro wie Hotels, Restaurants und ähnliche Dienstleister verdienen an den umfangreichen Filmdrehs. Nicht zu vergessen der nachfolgende Filmtourismus, der begeisterte Serienjunkies oder Filmefans an die Drehorte ihrer Lieblingsszenen bringt und so zusätzliches Geld in die Region spült.
Wer sich für Filme und Serien begeistert, sich an den Drehorten seiner Lieblingsblockbuster selbst wie ein Star fühlen möchte oder in die Welt des Filmdrehs eintauchen will, der muss nicht bis in die USA reisen. Denn die Provinz Almería ist das europäische Hollywood.