Feminismus ist „In“ in Spanien, das ist hierzulande täglich sichtbar. Erst kürzlich wurden von der spanischen Regierung freie Tage für Frauen während ihrer Periode auf den Weg gebracht. Das südeuropäische Land hat ein Gleichstellungsministerium, kämpft harsch gegen sexistische Gewalt und die Demonstrationen am alljährlichen Frauentag werden stetig größer. Ein Land, in dem bis in die 1970er Jahre eine Diktatur herrschte, in der Frauen wenig zu sagen hat, bäumt sich nun mit aller Kraft gegen die überflüssig gewordenen Ketten auf. Doch neu ist die Rebellion der Frau in Spanien nicht. Sie begann schon lange vor der Diktatur – eine Route entlang des Feminismus in Spanien, mitten durch Madrid.
Feminismus in Spanien - eine Rundtour durch Madrid
1. Mercado de la Cebada
Die Gemüsehändlerinnen, die Ende des 19. Jahrhunderts im Markt Mercado de la Cebada den Aufstand der Artischocke (Motín de la Alcachofa) anzettelten, können heute als die Frauen der ersten weiblichen Arbeiterbewegung von Madrid gesehen werden. Frustriert über die Gerüchte, dass sie krank machendes Gemüse anbieten würden, beschwerten sie sich bei der Stadtregierung. Als der damalige Bürgermeister in den Markt kam, um die Frauen zu besänftigen, bewarfen sie ihn mit Artischocken – der Auftakt von diversen Protesten in den folgenden Jahren. Die Gemüsehändlerinnen gingen zwischen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts geeint auf die Straße, um gegen Steuererhöhungen und andere politische Änderungen zu demonstrieren, die ihren Verkauf bedrohten. Ihre Forderungen wurden landesweit gehört, oftmals belächelt. Dies ging so weit, dass das Wort „verdulera“ neben der eigentlichen Bedeutung Gemüsehändlerin, auch die weitere Bedeutung „ordinäres Weibstück“ erhielt.
Noch immer kann man im Mercado de la Cebada Obst- und Gemüse sowie Fleisch und Fisch einkaufen. Auch kleine Buchläden und Stände, die Kunst oder Uhren verkaufen, finden mittlerweile Platz im Markt. Besonders beliebt ist er bei den Madrileños zur Mittagszeit, am Abend und am Wochenende: Dann kann man sich hier bei Tapas und Bier von Stand zu Stand durchprobieren.
Adresse: Plaza de la Cebada, 28005 Madrid
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 9-14 Uhr und 17-20 Uhr
Samstag: 9-18 Uhr
Sonntag: 11-17 Uhr
Metro:
La Latina – Linie 5
Tirso de Molina – Linie 1
2. Sala de Alcaldes de Casa y Cortes
La Sala de Alcaldes de Casa y Corte war eine Institution, die seit dem 13. Jahrhundert die öffentlichen Aktivitäten in den Straßen Madrids kontrollierte. Hier kamen sämtlichen Anzeigen gegen Frauen an, die illegal in Werkstätten arbeiteten und deshalb von verschiedenen Gremien angezeigt worden waren. Vielen von ihnen wurde in den gleichen Räumlichkeiten der Prozess gemacht.
Heute befindet sich in einem der Beispielbauten des Madrid de los Austria (1629 erbaut) das Außenministerium von Spanien.
Adresse: Plaza de la Provincia 1, 28012 Madrid
Metro:
Tirso de Molina – Linie 1
Sol – Linie 1,2 und 3
3. La Tabacalera
In der alten Tabakfabrik mitten im Zentrum von Madrid sind die Erlebnisse jener Frauen, die dort über drei Jahrzehnte lang arbeiteten, fast verschüttet. Nichts erinnert innerhalb des weitläufigen Gebäudes noch an die tausenden Frauen, die hier Tag und Nacht unter schwersten Bedingungen an riesigen Maschinen Tabak herstellten. Dabei waren sie Pionierinnen ihrer Zeit. Sie legten, genau wie die Gemüsehändlerinnen den Grundstein für den Feminismus in Spanien. Die ersten, die außerhalb des eigenen Zuhauses arbeitet und Geld verdienten. Durch ihren Einsatz wurden viele von ihnen sogar oftmals zu Hauptversorgerinnen ihrer Familien. Sie gaben ihren Arbeitsplatz von Generation zu Generation weiter, von Mutter zur Tochter, zur Enkelin oder Nichte. Mit ihren Demonstrationen für faire und gerechte Arbeitsbedingungen und Gewerkschaften unterstützten sie maßgeblich die Entwicklung der Frau hin zu mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft Spaniens.
Heute ist La Tabacalera ein zweigeteiltes Kunst- und Kulturzentrum. Einen Teil der Räumlichkeiten wird vom Ministerium für Kultur und Sport beansprucht, dass sie für Ausstellungen und Workshops nutzt. Der andere Teil wird für einen von Bürgern und Bügerinnen selbst organisiertes soziales Zentrum genutzt, in dem jeder Workshops, Ausstellungen und Diskussionsrunden anbieten kann.
Adresse: Calle de Embajadores 51, 28012 Madrid
Metro:
Lavapiés – Linie 3
Embajadores – Linie 3
4. El Lyceum Club Femenino
Der feministische Club El Lyceum Club Femenino wurde 1926 von insgesamt 115 Frauen der Oberschicht Madrids gegründet. Die meisten von ihnen arbeiteten in Universitäten und gehörten der Residencia de Señoritas an, einem Zentrum, das sich für die Hochschulbildung der Frau zwischen 1915 und 1939 einsetzte. Um dem Club beitreten zu können, musste man einen höheren Abschluss vorweisen oder Verbindungen zum Sozialwesen haben. Hier im Lyceum Club Femenino begann die Debatte um das weibliche Stimmrecht in Spanien. An die 500 Frauen traten während seines Bestehens (1926-1939) dem Club bei, unter anderem die spanische Politikerin und Suffragette Clara Campoamor, die spanische Juristin und Exilpolitikerin Victoria Kent oder die Pädagogin und Humanistin María Maeztu.
Das Gebäude ist eines der wenigen Bauten in Madrid, die noch aus dem 16. Jahrhundert stammen. Es ist benannt nach seinen sieben Schornsteinen (Siete Chimeneas) und beherbergt seit den 1980er Jahren Teile des Bildungs- und Kulturministeriums von Spanien.
Adresse: Plaza del Rey 1, 28004 Madrid
Metro:
Banco de Espana – Linie 2
Gran Vía – Linie 1 und 5
5. La Telefónica
Lange bevor ein Anruf automatisch zwischen zwei Telefonen verbunden werden konnte, waren Frauen es, die diese Arbeit als Telefonistinnen übernahmen. Sie waren günstige Arbeitskräfte, sehr diszipliniert und ihre Stimmen sollten manch aufgebrachten Anrufer besänftigen, beschreibt das größte Telekommunikationsunternehmen Telefónica den Ursprung der Telefonistinnen. Seit Ende des 19. Jahrhundert waren sie es, die die fordernde Arbeit übernahmen und ab den 1940er Jahren sogar auf Ehe und Familie verzichteten, um sich ganz ihrer Aufgabe zu widmen. Denn ihre Arbeit wurde in der Gesellschaft anerkannt, weit mehr als jene auf dem Feld, zu Hause oder in Fabriken. Sie ermöglichte den Telefonistinnen neue Perspektiven und eine andere, weit unabhängigere Rolle gegenüber dem Mann. Sie waren nicht nur im wörtlichen Sinne die Stimme einer ganzen Generation: Durch die Arbeit der Telefonistinnen wurden allen Frauen in Spanien und weltweit der Weg zu mehr Gleichberechtigung geebnet.
Das Gebäude, in dem einst die Telefonistinnen arbeiteten, gehört noch immer der Firma Telefónica. Es wurde im 20. Jahrhundert von dem Unternehmen in Auftrag gegeben und war damals eines der ersten Hochhäuser Europas. Heute beherbergt es dessen Stiftung, Fundación Telefónica, die wechselnde Ausstellungen, Workshops und Konferenzen zu verschiedensten Themen anbietet. In einer ihrer permanenten Ausstellungen geht es um die Geschichte der Telefonie sowie die Telefonistinnen.
Adresse: Gran Vía 28
Öffnungszeiten:
Dienstags bis Sonntags: 10-20 Uhr
Metro:
Gran Vía – Linie 1 und 5
Callao – Linie 3 und 5
Sie ist eine der ältesten feministischen Buchläden der Welt – seit dem 16. Oktober 1978 werden in der Calle San Cristóbal 17 in Madrid Bücher zum Thema Feminismus und jene, geschrieben von Frauen, verkauft. Fast 200 Frauen beteiligten sich damals an dem Projekt für die Rechte der Frau einzustehen und dem Feminismus Raum zu geben. Man kann sich vorstellen, wie verdutzt viele Passanten geschaut haben müssen, als sie kurz nach Ende der Diktatur Bücher über die Sexualität der Frau im Schaufenster der Librería Mujeres ausgestellt sahen. 1991 entschieden sich eben jene Frauen zusätzlich zum Geschäft einen eigenen Verlag zu gründen. Heute kann man in dem Laden randvoll mit Büchern außerdem an Veranstaltungen wie politischen Workshops, Debatten oder Buchpräsentationen teilnehmen.
Adresse: Calle de San Cristóbal 17, 28012 Madrid
Öffnungszeiten:
Montags bis Freitags: 10-14Uhr und 17-20Uhr
Samstags: 10.30-14 Uhr und 17-20Uhr
Metro: Sol – Linie 1,2 und 3