Ich war Anfang 20. Gerade hatte ich mich aus einer Beziehung gelöst, die ich mitgenommen hatte aus meiner Heimat im Norden in die kleine beschauliche Stadt in Bayern. Die Beziehung war, sagen wir, komplex gewesen. Aus Ausprobieren und sich selbst entdecken hatte sich etwas entwickelt, dass mich in schwierige Lagen mit einigen Freunden und meiner Familie gebracht hatte. Nun war ich allein in einer Stadt, in der ich mich kaum fremder hätte fühlen können und ich war einsam. Einsam an öffentlichen Plätzen, in der Uni und mit Menschen, die ich kennenlernte. Vor allem aber war ich einsam mit mir selbst. Nichts an mir gefiel mir. Die Coolness, die ich immer besessen hatte, war Unsicherheit gewichen und obwohl ich voll war von Emotionen, fühlte ich nichts.
Ich hatte nie viel für Schminke übrig gehabt. Doch in dieser Zeit konnte ich mich ohne Mascara und Make-up nicht ertragen. Meine Brüste waren mir schon immer zu klein gewesen, meine Becken zu breit und mein Bauch zu rund. Ich las viel in dieser Zeit, hörte Musik und suchte Wege wieder mit mir in Verbindung zu kommen. Irgendwann kam ich auf die Idee, mich in meiner Wohnung auszuziehen. Sobald ich also nach Hause kam, streifte ich meine Kleidung ab und legte sie zusammen mit meiner Unterwäsche aufs Bett. Meist stellte ich mich mehrere Minuten vor den großen Spiegel, der zwischen meiner alten Wickelkommode und der Garderobe in dem kleinen Flur meines Ein-Zimmer-Appartements hing und schaute mich an.
Ich musterte mich wie ein Voyeur. Ab und an versuchte ich zu lächeln und mit dem so vertrauten und doch irgendwie fremd gewordenen Gesicht, das mich anblickte, in Kontakt zu treten. Musik war in dieser Zeit mein ständiger Begleiter und irgendwann begann ich nackt zu tanzen. Ich betrachtete mich im Spiegel, beobachtete die Bewegungen, das sanfte Wiegen der Becken, das leichte Wippen der kleinen, spitzen Brüste. Manchmal fingen meine Augen das Lächeln der Mundwinkel ein und ich bemerkte, wie ich langsam eine Verbindung zu meinem Körper und ganz nebenbei auch wieder zu mir selbst aufbaute.
Ich fand mich schön. Ich erkannte den Körper im Spiegel. Ich lernte, ihn wieder liebevoll anzusehen. Die Bewegungen beim Tanzen waren fließend, es waren meine Bewegungen. Die sich sanft wiegenden Becken waren meine Becken und die leicht wippenden Brüste gehörten zu mir. Damals verstand ich, dass ich nackt und schonungslos zu mir sein musste, um mir nah zu sein und mich wirklich zu erkennen. Desto weniger einsam ich mich fühlte, desto mehr Menschen kamen in mein Leben. Menschen, die noch heute ihre Lebenswege mit meinem teilen. Meine Nacktheit war die Verbindung zu mir selbst, die mir dabei half mit Menschen in Kontakt zu treten.
Seitdem sind über 10 Jahre vergangen und seit knapp 10 Monaten schreibe ich nun auf dieser Seite irgendwo im Netz, die alle Wörter, die ich hier niederschreibe für immer in dieser Form speichern wird. Das macht mich ehrfürchtig. Wieder stehe ich vor dem Spiegel und frage mich, wer genau mir da eigentlich entgegen blickt. Eine Journalistin? Eine Auswanderin? Eine, die versucht Dinge zu erzählen, die schon längst gesagt wurden? Eine, die utopischen Träumen nachjagt, um endlich den Wunsch dieses kleinen Mädchens zu erfüllen, das jeden Samstag verträumt das Reisemagazin Wolkenlos sah?
Dieser Blog, dieses Magazin über Spanien ist entstanden, weil ich euch zeigen möchte, wie es ist in Spanien zu leben, wie es ist, auszuwandern und wie dieses Spanien ist, abseits der Touristenmassen und Sightseeingspots. Gelernt habe ich in den vergangenen Minuten, Stunden, Tagen, Wochen und Monaten mehr als in all meinem bisherigen Berufsleben. Ich habe mich in die komplexen Zusammenhänge von SEO eingearbeitet, damit ihr meine Texte vielleicht eines Tages in der Suchmaschine ganz oben findet. Ich habe Fotokurse belegt, viel über WordPress und das Designen von Webseiten erfahren. Ich habe gelernt Fotos zu bearbeiten, Logos zu designen, erfahren wie man einen Redaktionsplan schreibt und sich auf Social Media zeigen kann und vielleicht sollte, um erfolgreich zu sein.
Ja, ich möchte erfolgreich sein, mit diesem Magazin, dass ich nie Blog nennen wollte. Ich wollte professionell klingen, fühlte mich besser als die vielen Reisenden, die genau wie ich versuchen, gehört zu werden. Die genau wie ich ihrem Leben und ihrem Tun einen tieferen Sinn geben wollen, indem sie es aufschreiben. Die sich, genau wie ich mir, zeigen wollen, dass sie kreativ sind und Worte finden können, die bewegen, die etwas auslösen in den Menschen an den Bildschirmen irgendwo auf der Welt.
Dieser Text ist eine Hommage an all die Blogger_innen da draußen, die mutig sind und sich trauen, nackt zu sein. Und es ist der Ausgangspunkt für mich, hinter den professionell wirkenden Logos und den informativen Texten hervorzuschauen und mich euch zu zeigen.
Ich will nicht mehr nur für mich allein nackt vor dem Spiegel tanzen. Ich möchte den Mut haben, das vor euch allen zutun. Auch, wenn ihr mich dafür verurteilen könntet. Mein Nacktsein beginnt genau jetzt.