Die Straße windet sich hinauf in die Berge, so eng, dass ich manchmal anhalte, um den Blick nicht zu verlieren. Links ein Bach, der im Winter fast reißerisch ist, rechts Hänge aus Schiefer und Ginster. Der Asphalt riecht nach Sonne, und in der Ferne glänzt etwas, das wie Wasser aussieht – vielleicht auch nur Licht.
Je höher ich komme, desto stiller wird es. Kein Funkempfang, keine Dörfer, nur Schilder mit Namen, die klingen, als hätte sie jemand geflüstert: Sauceda, Ladrillar, El Gasco. Orte, die kaum jemand sucht – und die darum bleiben, wie sie sind.
Die Straße, die sich selbst sucht
Las Hurdes liegt im Norden der Extremadura, irgendwo zwischen Himmel und Geduld. Die Berge sind dicht bewaldet, die Luft trägt den Geruch von Harz und feuchtem Stein. In den Tälern fließen fünf Flüsse, sie zeichnen Linien in eine Landschaft, die sonst kaum Spuren zulässt.
Am Wegrand stehen verlassene Häuser aus dunklem Schiefer. Manche haben keine Dächer mehr, nur Himmel über den Mauern. Dazwischen neu gebaute Häuser – kantig, hell verputzt, ein bisschen trotzig.
Vor einer Mauer sitzt ein Mann und füttert Katzen. Neben ihm lehnt ein Holzstock, die Tiere drängen sich um seine Füße. „Früher waren wir viele“, sagt er, „jetzt sind wir noch genug, um nicht allein zu sein.“
Er lächelt, als wüsste er selbst nicht, ob das stimmt.
Bienen, die ohne Eile arbeiten
Ich halte an einer kleinen Werkstatt am Rand des Dorfes.
Vor der Tür stapeln sich Gläser mit goldener Flüssigkeit. Miel de Hurdes, steht darauf. Die Verkäuferin ist vielleicht siebzig, trägt ein Tuch um den Kopf und wiegt die Gläser in der Hand, als wären sie schwerer als sie sind.
„Das ist unser Stolz“, sagt sie. „Bienen arbeiten hier wie wir – still und ohne Eile.“
Im Innern riecht es nach Wachs, Holz und etwas Süßem, das klebt.
Draußen summen die echten Bienen weiter, unbeeindruckt von Besuchern und Jahreszeiten.
Das Land, das man übersieht
Las Hurdes hat keine Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinn.
Kein großes Kloster, keine Burgruine, kein Aussichtspunkt mit Geländer. Es sind die Kleinigkeiten, die hängen bleiben: der Klang der Schritte auf Schiefer, der Wind, der in den Tälern hängen bleibt, das Licht, das sich jeden Nachmittag verändert und der Nebel, der in den einsamen Tälern immer wieder wabert.
Ich laufe einen Pfad hinauf zum Aussichtspunkt über El Gasco. Von dort sieht man das Tal, in dem ein Fluss wie eine Naht durchs Grau zieht. Ein paar Ziegen stehen zwischen den Felsen, ihr Fell glänzt im letzten Licht. Die Sonne verschwindet schnell hier, als wolle sie niemanden stören.
Ein anderes Spanien
Abends in der Herberge ist das Licht warm und trüb. Auf dem Tisch steht Brot, Käse, ein Glas Rotwein.
Draußen raschelt der Wind durch die Kiefern, irgendwo schlägt eine Tür.
Ich denke an die Menschen, die hier geblieben – und an all jene, die weggegangen sind.
Vielleicht ist das das Besondere an Las Hurdes: dass beides stimmt.
Es ist ein Ort, der bleibt, indem er geht.
Ein Ort, an dem man das Gefühl bekommt, dass Zeit kein Maßstab ist, sondern nur eine Richtung.
Wenn du nach Las Hurdes reist
Las Hurdes ist nichts für Eile. Wer kommt, sollte bleiben, langsam schauen und bereit sein, Stille zu mögen.
🌄 Was du sehen solltest
El Gasco – eines der schönsten Dörfer der Region, umgeben von Felsen, die bei Sonnenuntergang kupfern glühen. Der Pfad zum Cráter de El Gasco (ca. 1 Stunde) führt durch duftende Wälder. Kein Vulkan, sondern ein Meteoriteneinschlag, der aussieht, als wäre die Erde selbst überrascht worden.
Caminomorisco – kleiner Marktflecken mit Bars und einer alten Brücke über den Río Ladrillar. Hier treffen sich die Täler.
Piscina Natural de Ladrillar – im Sommer ein Badeplatz, im Winter ein Spiegel für das Licht.
🍯 Was du probieren solltest
Honig aus Las Hurdes – direkt bei den kleinen Produzentinnen am Straßenrand kaufen; er schmeckt je nach Blüte anders, mal nach Rosmarin, mal nach Kastanie.
Cabrito Asado – Zicklein aus dem Ofen mit Rosmarin und Olivenöl, kräftig und schlicht.
Chanfaina – Reis mit Lamm und Gewürzen, ein Gericht für kalte Abende.
🛏️ Wo du übernachten kannst
- Casa Rural La Cabachuela (Casares de las Hurdes) – einfach, ruhig, mit Blick ins Tal.
Hotel Rural Castúo (Pinofranqueado) – einfache Zimmer, gutes Essen, zentrale Lage für Ausflüge.
Camping Riomalo – für alle, die am liebsten draußen sind: Kastanien, Fluss, Sternenhimmel.
Praktisches
Anreise:
Mit dem Auto über Plasencia oder Cáceres, dann Richtung Pinofranqueado.
Von dort führen schmale Bergstraßen weiter nach El Gasco oder Ladrillar.
Beste Reisezeit:
Frühjahr und Herbst – wenn die Hügel grün sind, das Licht weich und die Luft nach Wasser riecht.
Bleib unterwegs.
Wenn dich Orte wie Las Hurdes berühren, trag dich ein – einmal im Monat schicke ich neue Geschichten aus dem leeren Spanien: von Wegen, Menschen und Momenten, die bleiben.

