„Die besten Mediziner sind die Sonne, die Luft, die Stille und die Kunst“, schrieb 1877 der aragonische Nobelpreisträger Santiago Ramón y Cajal während seines Aufenthaltes im Thermalbad Panticosa. „Die ersten beiden stärken unseren Körper, die letzten beiden löschen die Vibrationen des Schmerzes und befreien uns von unseren Ideen, die manchmal ansteckender sind als die schlimmsten Mikroben.“ Genau deshalb suchen seit Jahrhunderten die Spanier die Ruhe und Einsamkeit des einzigartig gelegenen Thermalbads zwischen den Spitzen des Garmo Negro-Bergmassivs der Pyrenäen Aragoniens auf 1630 Metern Höhe. Denn hier findet man umgeben von Natur Entspannung und Entschleunigung.
Natürliche Erholung im Valle de Tena
Es rauscht, Tag und Nacht. Sonst hört man kaum etwas in dem Tal des Thermalbads Panticosa. Es ist ein angenehmer Klang; beruhigend und geradezu reinigend. Und das obwohl man sich fast bedroht fühlen müsste von den insgesamt sechs Wasserfällen, die ihre Wassermassen von den umliegenden Bergen zu uns ins Tal Valle de Tena hinabstürzen. Ihre kostbaren Tropfen sammeln sich in dem kleinen See Ibón de Baños, der an der Einfahrt des Kessels liegt. Die meisten von ihnen fließen dann abwärts, vermischen sich mit zig anderen Wasserfällen, bis sie sich schließlich im Stausee Búbal, unterhalb des Ortes Panticosa, eine Pause gönnen. Ein paar von diesen Tropfen werden jedoch abgefangen. Schon bevor sie sich im See Ibón de Baños sammeln, endet ihre Reise im aufwendig angelegten Thermalbad Panticosa.
Historischer Glamour in Abgeschiedenheit
Wie immer waren es die Römer, die die heilenden Kräfte dieser Gewässer in den abgeschiedenen Pyrenäen entdeckten. Gut für die Leber, die Haut, die Atemwege und das Nervensystem. Im 19. und 20. Jahrhundert hörten so viele Menschen in Spanien, aber auch außerhalb, von diesem erholsamen und gesund machenden Ort, dass es sich lohnte mehrere Restaurants, ein Hotel, ein Casino und mehrere Thermalbäder anzulegen. Zu dieser Zeit traf sich hier zwischen 3000 Meter hohen Bergen die Highsociety Spaniens. König Alfons XIII, der ab seiner Geburt Ende des 19. Jh. offizieller König von Spanien war und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Militärdiktatur von Miguel Primo de Rivera guthieß, suchte hier oft nach Erholung. Und auch der Diktator Primo de Rivera selbst sowie einer der wichtigsten spanischen Denker des 20. Jh. José Ortega y Gasset linderten mit dem Heilwasser Panticosas ihre Schmerzen. Zu seinen Hochzeiten konnte der entstandene Komplex mehr Hotelgäste beherbergen, als viele der Großstädte der Region wie Huesca oder Pamplona.
Die goldenen Jahre des Thermalbads Panticosa sind vorbei
Wenn man heute in das Tal einfährt, kann man nachempfinden, wie exklusiv es hier einst gewesen sein muss. Wie die Gäste die schweren Vorhänge des mittlerweile restaurierten Gran Hotels aufzogen und durch die großen Fenster die unberührte Natur beobachteten. Wie sie sich am Abend mit einem Whisky oder Cognac auf der Veranda des Casinos trafen und über das Leben hinter den Bergen philosophierten. Und wie die Highsociety zwischen den verschiedenen Pavillons wanderte, um sich im heilenden Wasser zu baden oder von ihm zu trinken.
Mit der Realität hat das heute allerdings nur noch wenig zu tun. Viele der hübschen Gebäude sind eingestürzt und erinnern als Ruinen an die goldenen Jahre des Bads. Stattdessen wurde ein neues Hotel gebaut, das genauso wie die Therme Tiberio, mit seiner neumodernen Architektur neben den teils renovierten Gebäuden des vorletzten Jahrhunderts viel zu klobig wirkt. Die Anfang der 2000er neu entstandene Anlage wirkt zu groß für die Anzahl der Gäste und ist inzwischen in die Jahre gekommen.
Ein geradezu nostalgischer Staub liegt auf dem Thermalbad Panticosa, als würde sich jeder hier gedankenverloren an die guten alten Zeiten zurückerinnern und dabei die Gegenwart vergessen. Statt einer Übernachtung im historischen Gran Hotel oder einer Partie im Casino kann man diese jetzt nur noch während einer Führung besichtigen. Die Blumen auf dem Tresen der Rezeption scheinen selbst aus dem 19. Jahrhundert zu stammen, so vertrocknet sind sie und die abblätternde Farbe auf den Fluren des Hotels zeugen davon, dass sich bei der Wiederbelebung der goldenen Jahre verschätzt wurde.
Warum sich ein Besuch im Thermalbad Panticosa trotzdem lohnt
Trotz allem lohnt sich eine Übernachtung mit Aufenthalt in der Therme noch immer. Es ist die Ruhe, die beschwichtigt, die Sonne, die am Morgen die Berge rundherum in ein ganz besonderes Licht taucht. Es ist das meditative Rauschen der Wasserfälle, die erholsamen Wanderwege hoch zu den Gipfeln und die bunten Farben der Blätter im Herbst, die dem Tal vom Thermalbad Panticosa noch immer seinen goldenen Glanz verleihen.