Valle de Alcudia: ein besonderer Ort auf der Durchreise

Die meisten Spanier kennen das Tal Valle de Alcudia in Kastilien-La Mancha nur aus dem Zugfenster des AVE, der Madrid mit Sevilla verbindet. In Höchstgeschwindigkeit rauscht die hügelige, mit Steineichen übersäte Ebene an ihnen vorbei. Und irgendwie, war das Valle de Alcudia auch schon immer genau das: ein wunderschöner Ort auf der Durchreise.

Seit Jahrhunderten ziehen Wanderhirten mit ihrem Vieh hierdurch, machen Halt, vielleicht für eine oder zwei Nächte, um die Tiere in dem 20.000 Hektar großen, etwa 100 Kilometer langen und ca. 11 Kilometer breiten Tal grasen zu lassen. Der historische Weg Camino Real de la Plata, der Madrid, Toledo, Córdoba und Sevilla verbindet, durchzieht das Valle und gibt dem Ort seinen Durchreisecharakter. Auf den abgehenden schmalen Wanderwegen und in den kleinen Gasthäusern der Weiler trafen sich Soldaten und Bauern, Kaufleute und Reisende, deren Ziel irgendwo zwischen dem Innenland und der Küste lag, nie aber hier – im Naturpark Valle de Alcudia.

Es lohnt sich einmal Halt zu machen zwischen den Bergketten Sierra Madrona und Sierra Morena. Auszusteigen aus dem Hochgeschwindigkeitszug, der einen schon in einer Stunde die 300 Kilometer von Madrid bis nach Puertollano, dem Tor des Valle, bringt. Die einstige Hochburg des Steinkohlebergbaus, die heute von der unweiten Raffinerie lebt, ist umgeben von geschlossenen und verlassenen Minenschächten. Von hier ist es nicht weit bis zum Pass Puerto Pulido, erster Aussichtspunkt über das weitläufige, artenreiche Tal.

Die Ebene, die im Frühling elektrisierend grün leuchtet und sich im Sommer gelb färbt, ist reich an Flora und Fauna. Zistrosen und Steineichen teilen sich die Hügel mit Olivenbaumarten und dem Geißblatt. Zwischen ihnen grasen Schafe und Kühe das ganze Jahr über und einige einsame Fincas sind umgeben von riesigen Jagdgründen, in denen man im Herbst die Brunft wie auf einer Safari aus nächster Nähe beobachten kann.

Archäologische Überreste von Sisapo

Hier, wo die Natur die Oberhand hat, liegt der einsame Weiler La Bienvenida. Etwa 35 Menschen leben in den wenigen kleinen Häusern, die unweit der Kirche und der längst geschlossenen Schule stehen. Kaum jemand verirrt sich außer den Einwohnern hierher. Dabei verbirgt sich hinter dem Ort ein historischer Schatz. Über einen schmalen Trampelpfad, vorbei an grasenden Schafen, erreicht man nach wenigen Metern die archäologischen Überreste einer römischen Siedlung. Die Ruinen stammen aus dem 8. Jahrhundert vor Christus als sich Römer hier niederließen, um die Silber- und Zinnobervorkommen für sich zunutze zu machen. Während der Ausgrabungsarbeiten, die in den 1980er Jahren begannen, konnte ein Wohnhaus von mindestens 400 m² mit rötlichen Säulen, eine Schmiede, eine Stadtmauer und ein Amphitheater identifiziert werden. Alles deutet darauf hin, dass in Sisapo die Aufseher lebten, die die nahegelegene Miene Almadén, eine der bedeutendsten des römischen Reiches, kontrollierten. Hätte man die Überreste an einem anderen Ort entdeckt, würden jeden Tag Touristen die beeindruckenden Überbleibsel der Römer bestaunen. Doch im Valle de Alcudia, dem Tal der Durchreise, interessiert das niemanden. Nur ein von der Sonne ausgeblichenes Schild weist auf die Ruinen hin, die langsam aber sicher wieder von der Natur versteckt werden.

Geschichte und Kultur vom Valle de Alcudia

Geheimnisse, wie die Sisapos, sind zahlreich im Valle de Alcudia: da ist der fast vollständig verlassene Ort Minas de Horcajo, der zu seinen Hochzeiten während des Bergbaus fast 4500 Menschen beherbergte, die, bis auf 11, alle das Dorf nach Schließung der Mine verließen. Hier gibt es übrigens tolle Wanderwege. Da sind die Felsenmalereien in der Nähe von Fuencaliente (Peña Escrita y Batanera) mit insgesamt 104 Motiven, die zwischen 3000 bis 1000 vor Christus an die Wände gemalt wurden. Oder la Fuente del Alcornoque, die Quelle der Korkeiche, die Miguel de Cervantes höchstpersönlich im 12. Kapitel von Don Quijote erwähnt.

Jahrhundertealtes Gasthaus: La Venta de la Inés

Doch der Ort, der das Valle de Alcudia am meisten repräsentiert, ist la Venta de la Inés. Das kleine Gasthaus ist so alt, dass schon Cervantes auf den groben Pflastersteinen vor seinem Eingang stand und es schließlich in seiner Novelle Rinconete und Cortadillo erwähnte, die im Jahr 1613 in Madrid erschien. Obwohl das kleine Steinhaus mit den nur wenigen Fenstern längst kein Gasthaus mehr ist, freut sich sein 93 Jahre alter Bewohner, Felipe Ferreiro, sehr über Wanderer und Entdecker, die über den langen sandigen Weg bis hierher kommen. Dann sitzt er auf einem der vielen Bänke, die er für Besucher hier aufgestellt hat und erzählt von Miguel de Cervantes, seinen Auftritten in Dokumentarfilmen und seinem unermüdlichen Kampf gegen einen Großgrundbesitzer, der ihm das fließende Wasser für sein kleines Haus abdrehte. Felipe und la Venta de la Inés sind der Inbegriff der Ruhe und Ausdauer des Valle de Alcudia, seiner Geheimnisse, Geschichten und Legenden.

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